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TEST: Hochsommerurlaub mit einem EV in Südfrankreich im Jahr 2023 (VIDEO)

Juli 18, 2023

Keine Vorbereitung

Auf unserer Reise nach Südfrankreich werden wir all das tun, was bis vor kurzem noch undenkbar war, wenn man mit einem Elektroauto in die Ferne fahren wollte. Völlig unvorbereitet nahmen wir die Herausforderung an. Es gab keine vorgefertigte Route, die an Ladestationen vorbeiführte, wir hatten nur zwei Ladepässe, und die Batterie war nur zu 65 Prozent geladen, als wir losfuhren. Anstatt überall vernünftig 100 km/h zu fahren, haben wir uns überall an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten.

Während unserer Reise haben wir also nicht nur ein Auge auf das französische Ladenetz, sondern erkunden auch, ob man mit einem Elektroauto in Frankreich genauso unvorbereitet fahren kann, wie mit einem Benzinauto. Mit einem herkömmlichen Auto plant man auch nicht die Route vorbei an Tankstellen und man fährt auch nicht gemütlich 100 km/h, um Benzin zu sparen. Wir wollen herausfinden, ob dieses unbeschwerte Fahrerlebnis auch für Besitzer von Elektrofahrzeugen möglich ist.

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Köln

Es ist 23.30 Uhr, als der Wecker in Twente klingelt. Eigentlich sollte es um 00:00 Uhr losgehen, doch aufgrund eines ausgiebigen Frühstücks über Nacht drehen wir den sprichwörtlichen Schlüssel zum Testwagen – dem BMW i4 eDrive40 – erst um 01:00 Uhr um. Abfahrtsort: Hellendoorn. Endziel: Montélimar, etwa zwei Stunden oberhalb des Mittelmeers. Laut Bordcomputer reichen 65 Prozent SoC (State of Charge) für rund 380 Kilometer. Genug, um es bis zu unserem ersten Ladestopp in Köln, etwa 250 Kilometer von Hellendoorn entfernt, zu schaffen.

Eine gute halbe Stunde nach unserer Abfahrt passierten wir Enschede und überquerten die deutsche Grenze. Bald sehen wir das graue Schild mit den fünf diagonalen Streifen: eine Aufforderung, so schnell zu fahren, wie wir uns trauen. Der BMW hat das Potenzial, 190 km/h zu erreichen, aber dann schaffen wir es vielleicht nicht bis Köln. Angesichts der ohnehin schon intensiven Reisezeit von etwa 14 Stunden entscheiden wir uns, den Tempomat vernünftigerweise auf 150 km/h einzustellen. Es dauert nicht lange, bis wir unseren ersten Ladestopp erreichen.

Wir hatten doch keine Route geplant, oder? Nein, das hat die App A Better Route Planner für uns erledigt. Der BMW hätte das auch für uns tun können, aber um diesen Test etwas auszuweiten, haben wir uns für diese bekannte App entschieden. Laut ABRP müssen wir an unserer Haltestelle in Köln 20 Minuten lang laden. Dort stoßen wir jedoch auf ein Problem: Die Ladestation scheint nicht zu funktionieren. Nicht wahr, oder? Für einen Moment scheint es, als wären wir wieder im Jahr 2015. Zum Glück sehen wir in der App, dass es im Kölner Raum von Ladestationen nur so wimmelt. Wir fahren weiter und sind nach etwa 10 Minuten bei einem Gartencenter, das zwei 300-kW-Schnellladegeräte auf dem Parkplatz hat. Wir verlieren nur 15 Minuten Zeit, aber es bringt uns zum Nachdenken. Werden wir das noch öfter sehen?

Metz

Nach einem 20-minütigen Ladevorgang steuern wir im Dunkeln nach Metz, wo die erste Ionity-Ladestation auf uns wartet. Mit einer gut gefüllten Batterie stellen wir den Tempomat auf 160 km/h. Obwohl wir es nicht eilig haben – auf einer so langen Reise ist das keine gute Idee – ist die Autobahn völlig leer. Eine schnelle Berechnung zeigt, dass langsameres Fahren keine Zeitersparnis bringt. Das ist bei Elektroautos oft der Fall, weil die Batterie so leer ist, wenn man schnell fährt. Dann sind Sie öfter an der Ladestation, als dass Sie fahren.

Aber der BMW i4 eDrive40 schafft auf dem Papier 590 Kilometer. Mit einer gut gefüllten Batterie kommen Sie ohne größere Probleme 300 bis 350 Kilometer weit, wenn Sie das Gaspedal kräftig durchtreten. Zufälligerweise ist das genau die Strecke, die wir zurücklegen wollen, bevor wir selbst eine Pause brauchen. Außerdem kann der i4 enorm schnell laden – bis zu 210 kW (!) – so dass wir keine Zeit verlieren. Eine Pinkelpause, eine Tasse Kaffee und schon ist der Akku für die nächste Etappe geladen. In dieser Hinsicht ist der i4 ein Elektroauto, das es auf einer langen Fahrt mühelos mit einem Benzinauto aufnehmen kann.

Wir reduzieren die Geschwindigkeit auf 130 km/h, da wir – über Luxemburg – in Frankreich angekommen sind. Auf der Autobahn, kurz vor Metz, halten wir 20 Minuten lang an einem Ionity-Standort. Fast 30 Autos können hier geladen werden. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir den BMW an eine Ionity-Stange hängen. Dieser Gebührenanbieter hat sich im vergangenen Jahr in Frankreich fest etabliert. Werfen Sie einen Blick auf die Karte unten. Das halbe Land ist voll von diesen Polen. Eine gute Entwicklung, denn bis vor kurzem war es eine große Herausforderung, mit einem Elektrofahrzeug durch Frankreich zu fahren.

Lyon

Auf der Autoroute du soleil herrscht inzwischen reger Verkehr. Es ist Hauptverkehrszeit auf der Nord-Süd-Verbindung von Paris nach Marseille. Bald stellen wir fest, dass wir das Aufladen in Dijon überspringen können – die Batterie ist noch voll genug – und fahren weiter nach Lyon. Etwa 40 Kilometer oberhalb der zweitgrößten Stadt Frankreichs verfügt Fastned über ein großes Gelände. Auch hier können etwa 20 Autos ihre Batterien in kurzer Zeit auffüllen. Fastned ist auch in Frankreich sehr aktiv. Es sind bereits 33 Standorte eröffnet, und der niederländische Cargo-Farmer baut weiter kräftig aus.

Dass das Unternehmen aus den Niederlanden stammt, zeigt sich daran, dass es den typischen niederländischen Urlauber im Blick hat. Viele Stellplätze sind so eingerichtet, dass Sie Ihren Wohnwagen, Faltwagen oder Anhänger nicht abkoppeln müssen. Ebenfalls erfreulich: Fastned berechnet 59 Eurocent pro kWh. Das ist ein wettbewerbsfähiger Preis auf der Autobahn. Damit sind sie 10 Cent billiger als Ionity. Inklusive Abonnement – 12 Euro pro Monat – erhalten Sie 25 Prozent Rabatt auf diesen Preis. Übrigens können Sie ein solches Abonnement auch bei Ionity abschließen.

Montélimar

Zwanzig Minuten später bricht die letzte Etappe ab. Wir haben nur noch 200 Kilometer bis Montélimar. Ohne Anstrengung passieren wir Lyon. Der Berufsverkehr ist vorbei und der berüchtigte Tunnel, der unter der Stadt verläuft, ist nicht überfüllt. Ohne Verzögerung fahren wir weiter nach Süden.

Ehe wir uns versehen, erreichen wir Montélimar. Bevor wir zu unserem Übernachtungsort fahren, kaufen wir noch schnell ein paar Lebensmittel ein. Lidl ist der erste Supermarkt, auf den wir stoßen. Was scheint? Sie können dort laden. Sogar schnelles Laden, bis zu 120 kW! Sie können in fast allen Lidl-Filialen in Frankreich aufladen. Nicht überall geht es so schnell, aber oft gibt es mindestens ein 22-kW-Ladegerät. Der deutsche Lebensmittelhändler berechnet nur 26 Cent pro kWh. Billiger kann man zu Hause kaum laden.

Es ist bezeichnend für den massiven Ausbau, den die Ladeinfrastruktur des Landes in kurzer Zeit erfahren hat. Heutzutage kann man sein Auto auch an den unerwartetsten Orten aufladen. Selbst in den kleinsten, abgelegensten Dörfern trifft man häufig auf öffentliche Ladestationen, oft mit einer Ladeleistung von 22 kW.

Fazit

Es ist jetzt 15:30 Uhr, als wir den BMW an die Lidl-Ladesäule anschließen. Wir sind schon öfter zu diesem Ziel gefahren, aber immer mit einem Auto mit Verbrennungsmotor. Wir haben es nie schneller geschafft. In dieser Hinsicht ist Frankreich eine neue Welt. Alle 50 bis 100 Kilometer werden Sie auf ein Schnellladegerät stoßen. Wir wagen es also zu sagen: Von nun an gibt es keine Ausrede mehr, nicht mit einem EV nach Frankreich zu fahren. Es ist ganz einfach zu machen.

Natürlich hilft es enorm, wenn man ein kotzendes Elektroauto besitzt, wie den BMW i4 eDrive40. Wir können nicht anders, als vor diesem Auto den Hut zu ziehen. Wir haben es ihm nicht leicht gemacht, aber das Auto hat es uns leicht gemacht. Wir brauchten fast immer eine Pause vor dem Auto. Außerdem waren immer noch mindestens 100 Kilometer in der Batterie, wenn wir nach einem Ladegerät suchten. Wir haben also nicht unter Reichweitenangst gelitten. Aber auch mit weniger ausdauernden E-Fahrzeugen kann man im Jahr 2023 problemlos nach Südfrankreich hinunterfahren. Sie müssen nur öfter aufladen, wenn Sie unterwegs sind. Aber Sie sollten wissen, dass diese Ladestellen reichlich vorhanden sind und dass es nur noch mehr werden. Gute Reise!