Test – Alpine A110R: Rauh und weiß
Im Alpincenter Soestdijk wird mir die Schlüsselkarte für eine der drei blauen A110R ausgehändigt, die draußen aufgereiht sind, um sie zu testen. Ein Alpine-Mitarbeiter fügt hinzu, dass es sich in der Tat um ein „ernsthaftes Auto“ handelt. Unnötig zu erwähnen, dass ich um die A110R herumlaufe und die Karbonfasern mich anstarren. Nicht nur der Kofferraumdeckel, das Dach und die Motorhaube, sondern auch die Räder sind aus dem leichten und dennoch stabilen Material gefertigt. Ich schlucke einen Moment lang. Natürlich möchten Sie nicht derjenige sein, der mit diesen Rädern versehentlich einen Bordstein auffährt. Vielleicht hätte ich die Preise am Vorabend nicht nachschlagen sollen: etwa 4.000 Euro. Pro Rad. Uff.
Im Gurtzeug
Die 4,25 Meter lange Alpine A110R strahlt Sportlichkeit aus. Nachdem ich mir das Äußere genau angeschaut und jedes Detail aus Karbonfasern studiert und bewundert habe, steige ich ein. Ich öffne die Tür und sofort fallen mir die beiden extrem geformten Sabelt-Schalensitze – ebenfalls aus Kohlefaser – ins Auge. Ich lasse mich in den Sitz sinken und mache mich auf eine harte Landung gefasst, aber eigentlich ist es gar nicht so schlimm. Die Kissen auf den Sitzen sind angenehm weich und ich sitze sofort wie angegossen. Instinktiv greife ich nach hinten links, um den Sicherheitsgurt zu ergreifen, aber ein normaler Dreipunktgurt ist in der Alpine A110R nicht zu sehen. Entweder ein Sechs-Punkt-Gurt oder gar nichts.
Ich ziehe die Tür mit der knallroten Schlaufe zu und schnappe mir die beiden Gürtel, die über meine Schultern gehen. Ich klicke sie dann in den entsprechenden Aufsatz, der zwischen meinen Beinen sitzt. Insgesamt sind die Gurte an sechs Stellen im Auto befestigt, aber Sie haben vier zentrale Befestigungspunkte, von denen Sie zwei einklicken. Das ist gewöhnungsbedürftig und natürlich zeitaufwändiger als ein normaler Dreipunktgurt, aber für diese etwas unpraktische Eigenschaft ist man im Sitz wirklich gut gesichert. Während der besseren Kurvenfahrt bewegt sich der Körper nicht wirklich.
Die ersten Meter mit der Alpine A110R
Die bessere Kurvenlage beginnt direkt am Kreisverkehr vor dem Alpincenter Soestdijk. Beim Anfahren ist die A110R sehr gut kontrollierbar. Keine ruckartige Gasannahme, kein ruckelndes und stoßendes Getriebe, alles ist so geschmeidig wie in einer ’normalen‘ A110. Bis wir den Kreisverkehr verlassen wollen, denn wenn ich nachsehen will, ob ein Radfahrer kommt, merke ich erst, wie sehr die Renngurte meine Bewegungsfreiheit einschränken. Darüber hinaus hat die A110R anstelle einer Heckscheibe eine Kohlefaser-Haube, ein Element, das die ohnehin schon nicht sehr gute Sicht der A110 noch weiter verschlechtert. Das Fehlen eines Innenspiegels trägt nicht gerade positiv dazu bei. Ich hoffe inständig, dass kein Radfahrer kommt und verlasse den Kreisverkehr. So weit, so gut.
Die ersten Kilometer lege ich mit dem Automatikgetriebe und dem Komfortmodus des Wagens zurück. Die rote Sporttaste am Lenkrad winkt heftig, aber ich halte mich zurück. Auf diesen ersten Kilometern beschleicht mich tatsächlich ein angenehmes Gefühl. Die Sitze sind bequem, die Sitzposition ist gut, die Klimaanlage ist auf 20 Grad eingestellt und der Motor brummt zufrieden hinter meinem Rücken. Man hört zwar etwas mehr Umgebungsgeräusche als in der A110, z. B. Kieselsteine in den Radkästen, aber es wird nie störend. Die modifizierte Federung erweist sich auch als recht fehlerverzeihend und überträgt Unebenheiten nicht eins zu eins auf Sie. Für ein Auto, das so einschüchternd und rennstreckentauglich aussieht, habe ich das nicht erwartet.
Die Alpine A110R in Zahlen
Auf der Autobahn angekommen, fahren die Alpine A110R und ich leise dahin. Das Getriebe ist im siebten Gang und die Motordrehzahl liegt knapp unter 2.500 U/min. Ein guter Zeitpunkt, um die Zahlen und andere faktische Details zu diskutieren. Zunächst zum Motor: Es handelt sich um den gleichen 1,8-Liter-Vierzylinder wie im A110 GT und A110 S. Der Block leistet 300 PS und 340 Nm. Insgeheim hatten wir gehofft, dass die A110R auch eine Leistungssteigerung erhalten würde, aber nein. Dennoch ist das A110R ein wenig schneller als die oben genannten Varianten. Den Sprint auf 100 km/h absolviert er in 3,9 Sekunden (4,2 für GT und S) und bei 285 km/h ist der Kuchen vorbei. Die A110 GT und die A110 S sind bei 250 km/h bzw. 275 km/h außer Atem.
Dass die A110R etwas schneller ist, liegt ausschließlich an ihrem geringeren Gewicht. Tatsächlich wiegt er straßentauglich 1.082 Kilogramm und ist damit 34 Kilogramm leichter als ein A110 mit Aero Kit. Wie hat Alpine das geschafft? Ein Wort: Kohlefaser. Jede Menge Kohlefaser. Die A110R versteckt ihr geringes Gewicht nicht gerade, wie sich schon bei der ersten Runde um das Auto zeigte. Hier kommt natürlich das Wissen von Alpine aus der Formel 1 zum Tragen. Die A110R ist aerodynamisch optimiert und verfügt über einen einzigartigen Spoiler, wobei der Heckspoiler mit dem charakteristischen Schwanenhals“ am Auto befestigt ist. Hat jemand Porsche 911 GT3 gesagt?
Alle aerodynamischen Modifikationen erzeugen 14 Kilo zusätzlichen Abtrieb an der Front und 29 Kilo am Heck. Auf öffentlichen Straßen werden Sie diesen Unterschied nicht direkt bemerken, aber jedes bisschen hilft. Was sofort auffällt, sind die klebrigen Michelin Pilot Sport Cup 2 Semislicks und die bissigen Brembo-Bremsen. Aber das ist noch nicht alles: Die Alpine A110R hat manuell einstellbare Federn und Stoßdämpfer. Sie liegt 10 Millimeter näher am Asphalt als die A110 S, aber die R kann bei Bedarf um weitere 10 mm abgesenkt werden. Darüber hinaus bieten die Stabilisatoren 10 Prozent mehr Steifigkeit. OK, habe ich alles? Prüfen. Gut, denn die Autobahnausfahrt rückt näher.
Kartfahren auf öffentlichen Straßen
Der Lekdijk, der Deich zwischen Nieuwegein und Wijk bij Duurstede, ist der Spielplatz, den ich für diesen Test der Alpine A110R ausgewählt habe. Schließlich drücke ich die Sporttaste, die ich mir die ganze Zeit aufgespart habe. Das Layout des digitalen Kombiinstruments ändert sich, das Getriebe hält die Gänge länger, die Gasannahme wird schärfer und die Lenkung wird schwerer. Der Rennfahrer in der Alpine A110R kommt zum Vorschein. Das gilt übrigens auch für meinen inneren Rennfahrer, wenn ich das Getriebe in den manuellen Modus schalte und Gas gebe. Auf zur ersten von vielen Kurven.
Der Vierzylinder brüllt los, unterstützt von einem Sportauspuff mit 3D-gedruckten Endrohren. Ich kann auch hören, wie die Luft durch den Ansaugtrakt in den Motor gelangt, und das Zischen des Turboladers bildet eine zusätzliche akustische Begleitung. Als Regisseur fühlt man sich wie der Dirigent dieses besonderen Orchesters. Ich lasse die Drosselklappe los und das Wastegate gibt sofort einen Seufzer von sich. Auf die Bremse treten und drei Gänge runterschalten, das Getriebe gehorcht mühelos und das Zwischengas bei jedem Schaltvorgang klingt fast wie ein guter Pianist beim Staccato-Spiel: kurz und kraftvoll. Ich steuere in die Kurve und es fühlt sich fast so an, als wären meine Hände nahtlos mit den Vorderrädern verbunden, so unmittelbar reagiert die A110R auf meine Eingaben. Nach all den bleiernen Elektroautos, die regelmäßig in der Redaktion zur Begutachtung auftauchen, muss ich mich erst wieder an ein Auto gewöhnen, das sich so wendig und spielerisch anfühlt. Das ist ein Vergnügen!
Und plötzlich steht da das Schild ‚Wijk bij Duurstede‘. In diesem Gokart für die öffentliche Straße reihst du die Kurven aneinander, als wäre es nichts. Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man Spaß hat. Die A110R fühlt sich wirklich spürbar schärfer und steifer an als die A110 S, die bereits einen Hauch sportlicher ist als die normale A110 und die A110 GT. Dadurch erhöht sich die Kurvengeschwindigkeit ganz selbstverständlich. Habe ich jemals das Gefühl, dass mir zusätzliche Energie fehlt? Nein, niemals. Allerdings ist das Handling der A110R etwas näher an dem der anderen A110-Varianten, als ich zunächst vermutet hatte. Erwarten Sie also nicht, dass es einen Unterschied wie Tag und Nacht gibt.
Fazit Alpine A110R: Kaufen oder liegen lassen?
In Wijk bij Duurstede parke ich das Auto und denke einen Moment über die Fahrt nach, die ich gerade gemacht habe. Ich freue mich schon auf den Rückweg. Die Alpine A110R ist eine wunderbare Spaßmaschine. Ein Aspekt wurde in diesem Bericht noch nicht behandelt: der Preis. Schließlich sind Kohlenstofffasern nicht kostenlos. Eine A110R kostet mindestens 121.990 Euro. Dicke 35.000 € mehr als ein A110S. Ist es das wert? Das hängt ganz davon ab, wie Sie das A110R einsetzen wollen. Werden Sie es auch regelmäßig im täglichen Verkehr oder in der Stadt nutzen? In diesem Fall sollten Sie vor allem das R weglassen. Nicht, weil er nicht einfach zu fahren ist, ganz im Gegenteil, sondern vor allem wegen der möglichen Beschädigung der vielen Kohlefasern. Aber wenn Sie es als Wochenendspielzeug benutzen oder gelegentlich auf die Rennstrecke gehen wollen, ist es für mich ein unbedingtes Muss. Kaufen Sie die A110R, schnallen Sie sich auf den Fahrersitz und genießen Sie es.