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Interview Opel-Chef Florian Hüttl: „Die Autoindustrie befindet sich in einem gewaltigen Wandel“

November 11, 2024

Wie sehen Sie die Rolle von Opel innerhalb von Stellantis? Was ist der USP von Opel, seine DNA?

„Ich glaube nicht, dass das den Kunden besonders wichtig ist. Design, Technologie und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, diese drei Aspekte waren für Opel schon immer sehr wichtig. Opel ist immer noch eine deutsche Marke mit Fahreigenschaften, die zu einem deutschen Auto passen. Wir legen großen Wert auf Fahreigenschaften, intelligente Beleuchtung, schönes Design und setzen uns voll und ganz für ‚Greenovation‘ ein, unsere Vision von Nachhaltigkeit. Alles in allem ist das ein interessantes Gesamtpaket für den Kunden.“

Was halten Sie persönlich von der Elektrifizierung?

„Die Elektrifizierung ist unglaublich wichtig: eine kohlenstoffarme oder, im Gegenteil, eine lokal emissionsfreie Mobilität wird immer wichtiger. Wir sind seit Jahren auf dem Weg zur Elektrifizierung. Das Jahr 2024 ist für uns auch in dieser Hinsicht ein wichtiger Moment, denn dank des neuen Frontera und Grandland haben wir jetzt eine komplette BEV-Palette. Alle Modelle, die wir anbieten, sind mit einem batterieelektrischen Antriebsstrang erhältlich. Natürlich hoffen wir, dass unsere Kunden uns bei dieser Umstellung auf das elektrische Fahren folgen werden. Natürlich kann man den Vauxhall von heute nicht mit dem Vauxhall von vor einem Jahrzehnt vergleichen. Es sind sehr große Schritte gemacht worden. Unsere Aufgabe ist es nun, sicherzustellen, dass die Entscheidungen, die wir treffen, eine große Gruppe ansprechen. In Deutschland zum Beispiel wachsen wir sehr stark.

Opel will also auch bis 2035 ohne Verbrennungsmotoren auskommen?

„Das Verkaufsverbot für ICE-Motoren im Jahr 2035 ist noch nicht abzusehen. Die Europäische Union hat klare Richtlinien vorgegeben und Vorschriften erlassen. Als europäische Marke arbeiten wir in einem europäischen Umfeld und wir wollen auch die uns auferlegten Regeln einhalten. Wenn die Kunden BEV fahren, gibt es kein Zurück mehr. Es hat einen klaren Übergang zu dieser Technologie gegeben. Opel ist jetzt schon bereit dafür. Wir können in kürzester Zeit umstellen. Übrigens sind die auferlegten CO2-Ziele sehr streng, aber wir haben alles, was wir brauchen, um sie zu erreichen. Aber lassen Sie mich eines sagen: Der Weg in eine CO2-freie Zukunft kann nicht von der Autoindustrie allein beschritten werden. Wir brauchen auch grüne Energie und eine anständige Ladeinfrastruktur, die die gesamte Energie verarbeiten kann. Letztendlich müssen wir das gemeinsam tun. Wir zählen vor allem auf die Unterstützung von Regierungen, die für stabile Regelungen sorgen.“

Opel-Chef Florian Hüttl

Stimmt es, dass die Kosten pro kWh drastisch sinken werden?

„Die Batterietechnologie ist immer noch teuer, so dass BEVs im Vergleich zu Hybriden immer noch ein wenig teurer sind. Das ist eine Tatsache. Für uns ist es wichtig, dass BEVs attraktiv und erschwinglich werden. Der Opel Mokka Electric ist zum Beispiel seit kurzem billiger geworden. Und der neue Frontera ist ebenfalls sehr erschwinglich. Auch der Opel Corsa electric ist im Preis gesunken. Das liegt daran, dass wir ständig Fortschritte machen. Die Herstellung von Batterien in Europa ist unglaublich wichtig, das müssen wir begreifen. In diesem Bereich haben wir im Vergleich zu China wirklich an Boden verloren. Das gesamte Batterie-Ökosystem muss Teil unserer europäischen Wertschöpfungskette werden, anstatt Batterien anderswo zu kaufen. Wir unternehmen bereits große Schritte. Zum Beispiel kommen die Batterien des neuen Grandland – der in Eisenach gebaut wird – aus der ACC Gigafactory in Frankreich. Die Investitionen sind himmelhoch, aber notwendig.“

Wird Opel ein kleines Elektroauto auf der Basis des neuen Fiat Grande Panda auf den Markt bringen?

„Attraktivere und billigere batterieelektrische Autos sind wünschenswert. Schauen Sie sich den neuen Frontera an: Dieses Modell basiert auf der Smartcar-Plattform. Diese Plattform ist auch für moderne BEVs optimiert. Natürlich stehen auch andere Modelle bereit, wie z.B. ein neuer Manta. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.“

Sie sehen, dass Renault eindeutig auf Retro-Design setzt. Sehen Sie sich nur den Renault 4 E-Tech und den Renault 5 E-Tech an. Auch Opel hat eine schöne Geschichte, zum Beispiel mit den vielen Kadett-Generationen. Gibt es bei Opel den Plan, die gleiche Strategie wie Renault zu verfolgen: die Schaffung von Retro-Helden und einer konventionellen Modellpalette?

„Opel ist eine zukunftsorientierte Marke. Was wir erreichen wollen, ist, dass unsere Designsprache Retro-Aspekte nutzt, die Opel zu einem Opel gemacht haben. Denken Sie zum Beispiel an den Vizor als Referenz an den Manta, aber auch an die Geometrie eines Autos. Wenn Sie heute einen Opel kaufen, gibt es immer Schnittstellen zu Opels von vor zehn, zwanzig Jahren. Es steckt also ein bisschen Retro-Design in jedem Vauxhall. Wir stellen moderne Autos her, die den heutigen Käufern gefallen, wir schauen also vor allem in die Zukunft. Mein Ziel ist es, Autos zu bauen, die für heute und morgen relevant sind. In diesem Sinne ist das Opel Experimental Concept ein Auto, das wir in irgendeiner Form in der Opel-Produktpalette wiedersehen werden.“

*Huettl bezieht sich auf die neue Generation des Opel Manta.

Ist Opel bei der Digitalisierung im Rückstand?

„Nein, denn es gibt verschiedene Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung. Wir haben zum Beispiel eine neue Generation mobiler Apps mit verschiedenen Funktionalitäten entwickelt. Außerdem führen wir ChatGPT in unseren Modellen ein. Over-the-Air-Updates sind in unseren Autos bereits Standard. Schritt für Schritt werden die Funktionen erweitert. Hinter den Kulissen entwickeln wir auch eine neue Generation von Software-Architekturen.

Die Automobilindustrie befindet sich in einem gewaltigen Wandel, wie schwierig ist das?

„Dies sind absolut aufregende Zeiten für die Automobilindustrie. Die gesamte Branche befindet sich derzeit in einem massiven Wandel hin zur Kohlenstoffneutralität. Das betrifft jeden Aspekt der Branche. Opel hat klare Entscheidungen getroffen, wer wir sein wollen und in welche strategische Richtung wir uns bewegen. Profitabilität ist enorm wichtig, ebenso wie der Wandel hin zur Elektromobilität. Wir strecken unsere Flügel auch in andere Länder auf der ganzen Welt aus. Vor allem aber sehen wir den Wandel als Chance. Durch die Entwicklung von Multi-Energie-Plattformen können wir unseren Kunden überall auf der Welt etwas anbieten, das am besten zu ihrer Situation passt. Wir blicken mit Zuversicht in die Zukunft.“

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